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Lebensversicherungsrecht


Lebensversicherer dürfen bei Kündigung von Altverträgen weiterhin bis zur Hälfte der gezahlten Beiträge einbehalten.

Lebensversicherungen sind in Deutschland weit verbreitet - es gibt mehr Verträge als Einwohner: Insgesamt 89,1 Millionen Kontrakte zählte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft im Jahr 2012. Nicht immer werden die Verträge bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit durchgehalten. Viele Kunden steigen vorzeitig aus. Seit dem Jahr 2000 schwankte die Stornoquote in etwa zwischen drei und vier Prozent.

Im Fall einer Kündigung einer Lebensversicherungspolice müssen Versicherungsnehmer auch weiterhin hohe Abschläge auf den sogenannten Rückkaufswert hinnehmen. Dies folgt jedenfalls für ältere Lebensversicherungen aus den im Folgenden zitierten BGH-Urteilen.

Aufgrund der BGH-Rechtsprechung müssen die Versicherer bei der Kündigung von Altverträgen nur die Hälfte des Deckungskapitals auszahlen. Bei Altverträgen handelt es sich um solche, die vor dem Jahre 2008 abgeschlossen worden sind. Die Kläger des jüngsten BGH- Urteils hatten unter Berufung auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2008 auch für ihre davor abgeschlossenen Verträge höhere Rückzahlungen gefordert.

Die Versicherer haben lange Zeit in ihren Verträgen Klauseln verwendet, wonach Vermittlungsprovisionen und andere Abschlusskosten mit den ersten Beiträgen verrechnet werden. Dieses Verfahren heißt Zillmern. Es führte nicht selten dazu, dass Kunden bei einer frühen Kündigung kaum Geld zurückbekamen. Diese Klauseln hatte der BGH aber schon im Jahr 2012 für Verträge eines bestimmten Zeitraums für unwirksam erklärt, weil sie die Kunden unangemessen benachteiligten.

Die Versicherungsverträge der beiden klagenden Versicherungsnehmer, zu deren Ansprüchen der BGH am 13.09.2013 ein Urteil fällte, stammten aus dem Jahre 2004 und wurden im Jahre 2009 gekündigt. Die Kläger hatten als Berechnungsmodelle für den Rückkaufswert die seit 2008 geltende gesetzliche Regelung gefordert. Sie sieht vor, dass die zumeist hohen Abschlussgebühren auf die ersten fünf Beitragsjahre verteilt werden müssen. Die Kläger scheiterten nun mit ihrer Forderung, weil der Gesetzgeber laut Urteil die Neuregelung nicht auf ihre Verträge angewandt wissen wollte. Dies ergebe sich aus den Materialien zur Gesetzesnovelle, heißt es im Urteil.

Als Rechtsanwälte können wir für Sie aktiv werden, wenn Sie der Meinung sind, von Ihrem Versicherer nach einer Kündigung zu wenig ausbezahlt bekommen zu haben. Versicherungsnehmer, die ihre Ansprüche geltend machen, bekommen nach unseren bisherigen Erfahrungen eine Nachzahlung von im Schnitt € 733,00.

Über den gesamten deutschen Lebensversicherungsbestand ist das Nachzahlungsvolumen also auf mehr als € 1,6 Mrd. je Jahr zu veranschlagen. Leider nehmen nur etwa 5 – 10% der Versicherungsnehmer ihre Rechte wahr.

Bisher hat der BGH zu der hier besprochenen Rechtsfrage der Höhe des Rückkaufswertes folgende wichtige Urteile erlassen.

• Urteil vom 25. Juli 2012 (IV ZR 201/10),
• Urteil vom 17. Oktober 2012 (IV ZR 202/10),
• Urteil vom 14. November 2012 (IV ZR 198/10),
• Urteil vom 19. Dezember 2012 (IV ZR 200/10) und
• Urteil vom 13. September 2013 (IV ZR 17/13)

Am größten ist der Nachzahlungsbetrag bei den Versicherungsnehmern, die ihre Verträge binnen der ersten 3 – 5 Vertragsjahre gekündigt oder prämienfrei gestellt haben. Wie hoch im Falle eines gekündigten Vertrages der Nachzahlungsbetrag (und im Falle einer prämienfrei gestellten Versicherung die erhöhte prämienfreie Versicherungssumme) genau ist, hängt davon ab, mit welchen Abschlusskosten und mit welchem Stornoabzug der einzelne Vertrag belastet wurde. Das weiß nur der Versicherer, welcher insoweit auskunftspflichtig ist. Die betroffenen Versicherungsnehmer sollten die Nachzahlungsaufforderung an den Versicherer daher mit einer Aufforderung zur Auskunft verbinden. Wenn die Auskunft verweigert wird, bleibt nur die Möglichkeit einer Klage.

Das Zillmern in seiner früheren Ausprägung ist rechtswidrig und es ist nur eine Regelung rechtmäßig, die auch dem früh kündigenden Versicherungsnehmer einen Anspruch auf einen „Mindestbetrag", der - stark vereinfacht dargestellt – der Hälfte der Prämienzahlungen entspricht, gewährt. Die noch heute anzutreffenden „Nullwerte" während der ersten 3 – 5 Vertragsjahre sind dagegen rechtwidrig.

Als grobe Richtlinie gilt, dass der Versicherer immer dann zu wenig ausgezahlt hat, wenn der Auszahlungsbetrag unter der Hälfte der Prämienzahlungen liegt. Bei fondsgebundenen Versicherungen ist jedoch zu beachten, dass etwaige Kursverluste des Fondsvermögens alleine von den Versicherungsnehmern zu tragen sind.

Leider ist es so, dass nach der gegenwärtigen Rechtsprechung Versicherungsnehmer, die ihre Verträge planmäßig bis zum Vertragsende durchführen, nicht in den Genuss der obigen Rechtsprechung gelangen. In diesen Fällen will der Bundesgerichtshof die Versicherer trotz unwirksamer Abschlusskosten-Verrechnungsklausel im Wege einer „ergänzenden Vertragsauslegung" zur Abschlusskostenverrechnung berechtigen (Urteil vom 24.10.2007; IV ZR 209/03). Dabei stellt sich die Frage eines Mindestbetrages hier nicht, denn der bei Durchführung des Vertrages am Ende anfallende Auszahlungsbetrag (der indessen mit weiteren Prämienzahlungen teuer erkauft wurde), ist immer höher als der Mindestbetrag. Noch weniger stellt sich in diesen Fällen die Frage eines Stornoabzugs, da diese Verträge weder gekündigt noch prämienfrei gestellt werden. Von der neuen Rechtsprechung profitieren also - zumindest bislang - nur die Versicherungsnehmer, die ihre Verträge vor Vertragsende kündigen oder prämienfrei stellen. Dass dies unbillig ist, liegt auf der Hand. Doch entspricht es bisher der aktuellen Rechtsprechung.

Bei dem Vorgehen gegen die Versicherer ist die Verjährungsfrist von drei Jahren zu berücksichtigen. Diese wichtige Frist beginnt ab Ende des Jahres, in dem der Vertrag durch eine Kündigung endet oder eine Prämienfreistellung wirksam wird.

Nachzahlungsansprüche aus Verträgen, die in 2010 oder früher geendet haben, sind zwischenzeitlich vielleicht bereits verjährt. Versicherungsnehmer, deren Verträge in 2011 geendet haben oder prämienfrei gestellt wurden, sollten im Verlauf des Jahres 2014 tätig werden und die drohende Verjährung vor Ablauf des Jahres 2014 hemmen.

Ob tatsächlich bereits auch bei den Vertragsbeendigungen bis 2010 eine Verjährung eingetreten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Wir empfehlen Ihnen daher, auch in solchen Fällen eine Überprüfung der Verjährungsfrage durch unser Anwaltsbüro. Oftmals findet sich in den Unterlagen des Versicherungsnehmers ein Schriftverkehr der zur Hemmung der Verjährung geführt hat.

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